Vorhofflimmern

Was ist unter Vorhofflimmern (VHF) zu verstehen ?
 
Der Herzmuskel arbeitet als rhythmische Pumpe , d.h. regelmäßig. Dies gelingt, weil das Herz ein Schrittmacherzentrum (Sinusknoten) hat, das elektrische Impulse erzeugt und Leitungsbahnen (wie Stromkabel) besitzt, die diese Impulse rhythmisch und synchron auf den Herzmuskel überträgt. Dieser zieht sich durch die Impulse rhythmisch zusammen und erschlafft wieder. Dadurch wird Blut in den Körperkreislauf gepumpt. Das Herz besteht aus zwei Herzvorhöfen, die durch Herzklappen von den Herzkammern getrennt sind. Der Sinusknoten befindet sich im rechten Herzvorhof. Der erzeugte Impuls wird über die Vorhöfe und den AV-Knoten (Filter zum Schutz der Kammer vor schnellen Impulsen) und über die Tawara-Schenkel auf die Herzkammern fortgeleitet.

Beim VHF kommt es zum Auftreten multipler elektrische Erregungswellen aus verschiedenen Bereichen der Vorhöfe. Die Frequenz der Impulse beträgt ca. 350-600 / min.. Im AV-Knoten werden diese Impulse gefiltert, so dass nur ein Teil von ihnen in unregelmäßiger Folge die Herzkammern erreicht und zu einer Herzkontraktion (tastbar als Puls) führen. Dieser ist unregelmäßig und kann als stolpern empfunden werden. Zudem können die einzelnen Pulsaktionen unterschiedlich kräftig sein (durch ungleiche Blutfüllung der Kammern).

Einteilung des Vorhofflimmerns
Man unterscheidet folgende Formen:
 
Zeitliche Klassifikation
Paroxysmales VHF         Anfallsartiges Auftreten, spontane Beendigung innerhalb von 7 Tagen meist innerhalb von 48 Stunden
Persistierendes VHF      Länger als 7 Tage bestehend. Beendigung nur durch Medikamente oder elektrisch (mittels Stromschlag = 
                                            Kardioversion) möglich
                                  
Permanentes VHF          Dauerhaftes VHF, das sich weder mit Medikamenten noch durch Kardioversion beenden lässt
 
Klassifikation nach der Ursache
 
Lone atrial fibrillation            Patienten unter 60 Jahre ohne Hinweise auf eine Herzerkrankung
Valvular bzw.non
valvular atrial fibrillation       VHF mit oder ohne Herzklappenerkrankung oder künstlicher Herzklappe
Fokales VHF                          Häufige, kurz dauernde Episoden von VHF, meist durch Extrasystolen ausgelöst
Häufigkeit von Vorhofflimmern
VHF ist die häufigste Herzrhythmusstörung. 0,4% der Bevölkerung hat VHF. Die Wahrscheinlichkeit VHF zu entwickeln steigt mit dem Alter von < 1% bei unter 60 bis > 6% bei über 80 Jährigen. Etwa 10 % der über 80 Jährigen haben VHF.
Ursachen von Vorhofflimmern
VHF kann Folge einer Erkrankung sein, aber auch isoliert auftreten. Keine Herzerkrankung haben ca. 30% der Patienten mit paroxysmalem und 20-25% der mit persistierendem VHF.
Häufigste Begleiterkrankung ist der Bluthochdruck. Dieser führt zu einer chronischen Druckbelastung des Herzmuskels und der Vorhöfe, die hierdurch dilatieren (größer werden) und mikroskopisch nachweisbare Umbauvorgänge durchmachen. Dies führt letztlich zu elektrischer Instabilität und damit zum VHF. Auch Patienten mit Durchblutungsstörungen des Herzens (Koronare Herzkrankheit) haben gehäuft VHF. Das Vorhandensein einer Herzschwäche erhöht das Risiko für VHF ca. um den Faktor 5. Weitere Ursachen sind Herzklappenfehler Herzmuskelerkrankungen (Kardiomyopathie), Herzmuskelentzündungen und nicht kardiale Erkrankungen wie Schilddrüsenüberfunktion (3% der VHF-Patienten) oder Lungenerkrankungen.
Woran bemerken Sie Vorhofflimmern ?
VHF kann völlig unbemerkt bestehen, oder massive Beschwerden verursachen. Insbesondere der Wechsel zwischen VHF und dem normalen Sinusrhythmus (SR) kann quälend sein. Häufige Beschwerden sind Herzrasen, Leistungsminderung, Luftnot, Schwindel, Engegefühl auf der Brust. Typisch ist der unregelmäßige und oft schnelle Herzschlag. Viele Patienten bemerken dies zu Hause beim Blutdruckmessen durch die akustischen Signale der Messgeräte. Selten kann es zu kurzen Bewusstlosigkeiten (Synkopen) kommen. Sie sind meistens Folge einer Pause des Sinusknotens bei spontaner Beendigung von VHF.
 
Ist Vorhofflimmern gefährlich ?
 
VHF kann unangenehm sein. Die Rhythmusstörung an sich ist nicht gefährlich. Bei begleitenden Herzerkrankungen können jedoch – insbesondere bei sehr schnellem Pulsschlag – ausgeprägte Beschwerden auftreten. Die Hauptgefahr liegt in der Entstehung von Blutgerinnseln im Vorhof,  Thromben genannt. Diese können sich lösen, in den Kreislauf schwimmen und hier zu akuten Durchblutungsstörungen verschiedener Organe führen. Am häufigsten kommt es zu einem Schlaganfall des Gehirns mit allen hieraus resultierenden Komplikationen und Behinderungen. Etwa 20 % aller Schlaganfälle sind durch VHF bedingt. Das Schlaganfallrisiko steigt altersabhängig und hängt von zusätzlichen Risikofaktoren wie Herzschwäche, Hypertonie,Diabetes mellitus, Alter u.a. ab. Es beträgt für 50-59 jährige ca. 1,5%/Jahr, 80-89 jährige ca. 24 % / Jahr ! Patienten unter 65 Jahren ohne Risikofaktoren und unauffälligem Herzultraschall haben ein Risiko von < 1%.
Behandlungsziele
Die Behandlung von VHF hat 3 Ziele:
  • Verhinderung von Embolien (Schlaganfall)
  • Regulation der Herzfrequenz
  • Beendigung von VHF und Verhinderung von Rezidiven
 
Wie kann man Embolien (Schlaganfall) verhindern ?
Das Risiko der Blutgerinnselbildung, bzw. dadurch bedingte Embolien – in erster Linie den Schlaganfall – kann mit einer Blutverdünnung reduziert werden. Zur Abschätzung des Schlaganfallrisikos wurde ein Punkte-Score entwickelt. Hierbei werden bestimmte Risikofaktoren mit Punkten bewertet und abhängig von der erreichten Punktzahl eine Blutverdünnung (Antikoagulation) eingeleitet. Genaueres zu dem Punkte-Score erfahren Sie bei Ihrem Arzt. 
 
Wichtig ist das Verhältnis von Blutungsrisiko zum Schlaganfallrisiko. Das Risiko für schwere Blutungen beträgt 1-13% pro Jahr und muss für jeden Patienten individuell abgeschätzt werden. Das Risiko für Schlaganfälle beträgt 1,5-20% pro Jahr (mit dem Alter zunehmend). Zur Verfügung stehen verschiedene Medikamente: Phenprocoumon, Faktor Xa.-Hemmer oder so genannte direkte Thrombininhibitoren. Sie reduzieren das Schlaganfallrisiko um ca. 70%. ASS (Acetylsalicylsäure) hat  keinen Platz mehr in der Behandlung, da die anderen Substanzen effektiver wirken. Ihr  Arzt sagt Ihnen welche Behandlung für Sie persönlich die Beste ist .
Entscheidet man sich zur Blutverdünnung erfolgt diese in der Regel lebenslang auch wenn wieder der normale Sinusrhythmus besteht. Grund ist die Erkenntnis, dass über 70% der VHF-Episoden vom Patienten nicht bemerkt werden, gelegentliche EKG`s mit Sinusrhythmus somit eine falsche Sicherheit vortäuschen können. Ausnahme sind Patienten nach erfolgreicher Ablation von VHF. Hier kann die Blutverdünnung ggf. verkürzt oder modifiziert werden.
Was bedeutet Frequenzregulation?
 
Bei VHF, welches nicht mehr in den normalen Rhythmus überführt werden kann, erfolgt eine Tablettenbehandlung mit dem Ziel die unangenehmen Phasen von Herzrasen zu unterdrücken. Die meisten Patienten kommen mit dieser Therapie gut zurecht, die Leistungsfähigkeit ist oft kaum eingeschränkt.
Wiederherstellung des Sinusrhythmus und Verhinderung von VHF – Rezidiven
Tritt VHF erstmalig oder immer nur kurz auf, kommt es in 80% der Fälle innerhalb von 24 h zur spontanen Konversion in den Sinusrhythmus. Ist VHF die Folge von anderen Herzerkrankungen, kann deren Behandlung auch das VHF bessern (z.B. Herzschwäche, Hypertonie). Ferner gibt es diverse Medikamente die den normalen Rhythmus stabilisieren können, jedoch keines mit garantiertem Erfolg. Gelegentlich muss VHF mittels einer elektrischen Kardioversion in Kurznarkose beendet werden um anschließend den Rhythmus medikamentös zu stabilisieren. Dafür muss eine vierwöchige Vorbehandlung mit Phenprocoumon erfolgen, damit sich vorhandene Blutgerinnsel im Herzen auflösen. Alternativ können kurz vor Kardioversion mittels transösophagealer Echokardiographie (Schluck-Echo) Blutgerinnsel im Herzen ausgeschlossen werden. Bei Patienten, die aus verschiedenen Gründen eine Herzoperation erhalten, kann im Einzelfall begleitend eine chirugische Therapie des VHF erfolgen (Maze-Operation), die aber auch nicht zu 100% erfolgreich ist. Ähnlich ist das Vorgehen im Rahmen einer Vorhofflimmer-Ablation mittels Katheter. Hier werden über einen speziellen Katheter „Narben“ mittels Hochfrequenzenergie im Einmündungsbereich der Lungenvenen (Pulmonalvenenisolation) gezogen um so die Fortleitung der zum VHF führenden elektrischen Impulse zu verhindern. Die Risiken der Ablation haben in den letzten Jahren durch zunehmende Erfahrung und verbesserte Technik abgenommen. Aus diesem Grund wird sie zunehmend häufiger und früher eingesetzt, wobei patientspezifische individuelle Risiken zu beachten sind. Patienten mit dauerhaftem VHF sprechen auf diese Behandlung seltener an als solche mit nur selten auftretenden Flimmerphasen.
Praxis für Kardiologie Dillenburg
Dr. med. Volker Spahn & Dr. med. Thorsten Molling

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